Ittinger Wegmeditationen 2019

"Wandern und wandeln" lautet das gemeinsame Jahresthema von tecum, der Stiftung Kartause Ittingen und den beiden Museen. Deshalb war es naheliegend, dass wir das Thema "Weg" in den öffentlichen, geführten Meditationen aufnehmen, die von Thomas Bachofner, Leiter tecum geleitet werden.

Auf dieser Seite können Sie mitmeditieren. Jeden Monat wird die aktuelle Meditation aufgeschaltet. Oder noch besser: kommen Sie selber einmal am zweiten Mittwoch im Monat in die Kartause und nehmen Sie persönlich teil. Sie sind jederzeit herzlich willkommen (Beginn um 17.30 Uhr und 18.30 Uhr, Besammlung vor dem Eingang zur Klosterkirche).

Januar: Aufbrechen

Gott sprach zu Abraham: »Verlass deine Heimat, deine Verwandten und die Familie deines Vaters und geh in das Land, das ich dir zeigen werde! (1. Mose 12, 1)

Brich auf und lass das Bekannte zurück.
Geh in ein neues Land,
das ich dir zeigen werde,
vertraue, dass ich dir vorangehe,
wage es, jeden Tag neu dich zu verändern!

Sei unterwegs
mit Leib und Seele,
mit allen Sinnen,
mit Vertrauten und Fremden,
mit ganzem Herzen!
Sei aufmerksam
für die Schönheit der Natur,
für neue Wege,
für unerwartete Begegnungen,
für geschenkte Lebensmöglichkeiten!

Sammle
auf dem Weg zum Ziel
dich selbst ein!

Brich auf,
jeden Tag neu,
und du wirst verwandelt ankommen.

Februar: Neue Wege gehen

Mein blindes Volk werde ich auf Strassen führen, die sie nicht kennen, und neue Wege mit ihnen gehen. Ich mache die Dunkelheit um sie her zum Licht und räume die Hindernisse beiseite. Das alles werde ich tun, mein Plan steht fest. (Jesaja 42, 16)

Vertrau den neuen Wegen, auf die der Herr dich weist.
Auch wenn du den Weg noch nicht kennst.
Auch wenn du nichts siehst und dir nicht vorstellen kannst, dass es einen Weg gibt.
Er kennt den Weg.

Weil Leben heisst: sich regen, weil Leben wandern heisst.
Still-stehen ist keine Option.
Lebens ist Bewegung, Unterwegs-sein, Begegnung,
in neue Räume vorstossen.

Vertrau den neuen Wegen, auf die dich Gott gesandt.
Er hat einen Plan.
Er hilft dir, Hindernisse zu überwinden.
Er zündet ein Licht an und du erkennst, wohin der Weg führt.

Er selbst kommt dir entgegen. Die Zukunft ist sein Land.
Du bist nicht allein unterwegs.
Gott selbst begegnet dir, er kommt dir entgegen,
zeigt dir den Weg in die Zukunft.

Vertrau den neuen Wegen
– und lass die alten Wege hinter dir.

März: Kreuzung

Du hast zu mir gesagt: »Ich will dich unterweisen und dir den Weg zeigen, den du gehen sollst. Ich will dich beraten und immer meinen Blick auf dich richten.« Psalm 32,8

So viele Wege liegen vor mir.
So viele Möglichkeiten tun sich auf.
Wenn ich an einer Kreuzung stehe, frage ich mich:
„Welche Richtung soll ich einschlagen?“
Oft macht sich Ratlosigkeit breit.

Ja, ich will mich unterweisen lassen.
Ich habe zwar meine Vorstellungen und Träume,
wohin mein Lebensweg gehen soll.
Aber es nimmt mich wunder, was für Ideen du für mich hast.
Ich vermute, dass deine Wege grösser, weiter, lohnender und spannender sind
als die, die ich mir selber ausdenke.

Wenn ich an der Kreuzung stehe,
lass mich innehalten und auf dich hören.
Überrasche mich mit neuen Wegen.
Sei mein Berater.
Leite mich mit deinen Augen.
Ich bin gespannt, wohin du mich führen wirst.

April: Kreuzweg

Als die Soldaten Jesus aus der Stadt hinausführten, kam gerade ein Mann vom Feld; er hieß Simon und stammte aus Zyrene. Sie hielten ihn an und luden ihm das Kreuz auf, und er musste es hinter Jesus hertragen. Eine große Menschenmenge folgte Jesus, darunter viele Frauen, die laut klagten und um ihn weinten. Aber Jesus wandte sich zu ihnen um und sagte: »Ihr Frauen von Jerusalem, weint nicht über mich! Weint über euch selbst und über eure Kinder!« Zusammen mit Jesus wurden auch zwei andere Männer zur Hinrichtung geführt, zwei Verbrecher. (Lukas 23)

Einen schweren Weg gehen, steinig, steil, anstrengend.
Ein Kreuz tragen, ein Schicksal, eine Krankheit, Schmerzen,
einen Verlust, eine Dunkelheit der Seele, ein Zeichen des Todes.
Die aufgebürdete Last wird mir zu schwer, drückt mich nieder.

Da ist jemand, der mitträgt. Simon.
In schweren Zeiten einen Simon an der Seite haben.
Anderen ein Simon werden.

Frauen nehmen weinend Anteil.
Sie sehen das Leid. Sie fühlen mit.
Sie werden getröstet: „Weint nicht über mich…“

Zwei Verbrecher werden zusammen mit Jesus hingerichtet.
Zum einen sagt Jesus: „Heute wirst du mit mir im Paradies sein.“
Auch am dunkelsten Ort geht der Himmel ein Spalt weit auf
und lässt einen Lichtstrahl durch.

Juni: Vom Pfingstgeist bewegt 

Als sie Gottesdienst feierten und fasteten, sprach der heilige Geist: Bestimmt mir den Barnabas und den Saulus für das Werk, zu dem ich sie berufen habe. Ausgesandt vom heiligen Geist, zogen sie nach Seleukia hinunter, von dort setzten sie über nach Zypern. (Apostelgeschichte 13, 2 und 4)

An Pfingsten gerät alles in Bewegung, in stürmische Bewegung.
Es braust vom Himmel her und Feuer zeigt sich.
Aber da, wo alles in Bewegung gerät, da werden die Karten neu gemischt.
Da kann Neues geschehen.
Da tun sich Türen auf.
Wo Ratlosigkeit und Stillstand war, wächst die Sicht für einen neuen Weg.
Menschen lassen sich vom Geist in Bewegung versetzen.
Saulus und Barnabas werden bereit, zu neuen Ufern aufzubrechen.
Der Heilige Geist ist der grosse Mutmacher. 
Bei ihm gibt es neue Chancen.
Wenn der Wind des Geistes bläst – verbarrikadiere dich nicht hinter Bretterwänden.
Setze deine Segel.

Juli: Mit wachsender Kraft unterwegs zum Tempel

Wie glücklich sind sie, die bei dir ihre Stärke finden und denen es am Herzen liegt, zu deinem Heiligtum zu ziehen!
Wenn sie durchs Wüstental wandern, brechen dort Quellen auf, milder Regen macht alles grün und frisch.
Mit jedem Schritt wächst ihre Kraft, bis sie auf dem Zionsberg vor dir stehen.  (Psalm 84, 6 – 8)


Wer vom Toten Meer hinauf nach Jerusalem geht, muss über 1000 Höhenmeter überwinden.
Gleissendes Sonnenlicht, unerträgliche Hitze und Staub.
Die Zunge klebt am Gaumen, der Durst meldet sich.

Doch jedes Mal, wenn ich auf diesem Pilgerweg bin, stelle ich erstaunt fest,
dass meine Kräfte nicht abnehmen.
Im  Gegenteil: Je höher ich hinaufsteige, je näher ich dem Ziel komme,
desto leichter und sicherer werden meine Schritte!         
Es ist, als ob mich ein Magnet den Berg hinaufzieht.
Je mehr ich mich Jerusalem nähere, desto stärker wird diese Anziehungskraft.

Freude breitet sich aus.
Ich darf wieder zum Tempel, darf in Gottes Gegenwart sein.
Durch das Tal gehen – die Wüste  fängt an zu blühen, verwandelt sich.
Auch mein Inneres atmet auf und blüht auf. In Gottes Gegenwart finde ich wieder zu mir.
Wenn ich auf Gott schaue, werde ich auf-gerichtet und aus-gerichtet.
Unter seinem wohlwollenden Blick kann ich aufrecht gehen – mit wachsender Kraft.

August - Auf der Suche nach Wahrheit lange Wege gehen

Ein Äthiopier fährt in seinem Reisewagen auf der einsamen Wüstenstraße, die von Jerusalem nach Gaza hinunterführt.     
Es handelt sich um einen hohen Würdenträger, den Finanzminister der äthiopischen Königin.
Der Mann war in Jerusalem gewesen, um den Gott Israels anzubeten und befindet sich jetzt auf der Rückreise.
Er sitzt in seinem Wagen und liest im Buch des Propheten Jesaja.
Da spricht ihn Philippus an, der vom Heiligen Geist zu ihm gesandt wurde:
»Verstehst du denn, was du da liest?«      
(Apostelgeschichte 8, 27 – 30)
                   

Einen langen Weg hat dieser Mensch auf sich genommen.
Viel Zeit und Geld hat es ihn gekostet, um dem fremden Gott Israels Ehre erweisen und ihn im Tempel anzubeten.
Dein Angesicht will ich suchen.
Lange Wege nehme ich auf mich, auf der Suche nach Wahrheit, nach Antworten, nach einem erfüllten Leben.
Dann die Rückreise, ebenso lang.
Als Souvenir habe ich eine Schriftrolle des Propheten Jesaja im Gepäck.
Aber ich verstehe nur Bahnhof.
Da schickt der Heilige Geist Philippus vorbei. 
Er entschlüsselt mir die Worte.
Es trifft mich mitten ins Herz.
Ich komme an, obwohl ich schon auf dem Rückweg bin.
Der lange Weg hat sich gelohnt.

September: Wenn der Weg endlos scheint

Dann zogen wir wieder in die Wüste auf dem Weg zum Schilfmeer, wie der HERR es mir gesagt hatte, und wanderten lange Zeit um das Gebirge Seir. (5. Mose 2,1) 

Der Weg durch die Wüste scheint endlos.
Vierzig Jahre unterwegs.
Werden wir je ankommen?
Werden wir je das verheissene Land erreichen?
Das Leben in Fülle?

Reichen meine Kräfte?
Ich habe das Gefühl: Ich drehe mich im Kreis.
Ich komme nicht weiter im Leben.
Ich stecke fest.
Alles wiederholt sich.

Nicht nur in Zeiten, in denen das Leben leicht fällt und voller Wunder ist, ist Gott da.
Nicht nur dann, wenn ich überraschende und überwältigende Erfahrungen mache.
Auch in der Wüste ist er da.
Auch auf Durststrecken kann ich mit ihm rechnen. 
Er verwandelt mich, auch in Zeiten des Schmerzes.
Dann, wenn ich lernen muss, auszuhalten und durchzuhalten.
Dann, wenn es keine Abkürzungen gibt.
Und keine schnellen Lösungen.
Auf endlosen Wegen geht er mit bis ans Ende.              

November: Dunkle Wege, dunkle Täler

Selbst wenn ich durch ein finsteres Tal gehen muss,
wo Todesschatten mich umgeben,
fürchte ich mich vor keinem Unglück,
denn du, Herr, bist bei mir!
Dein Stock und dein Hirtenstab geben mir Trost.
(Psalm 23,4)


Mein Weg führt mich durch ein enges Tal.
Auf beiden Seiten hat es steile Felswände.
Todesschatten umgeben mich.
Kein Sonnenstrahl dringt bis zum Talboden.
Der Himmel über mir – nur ein schmales Band.
Es gibt nur einen Weg nach vorn.
Hat es da hinten einen Ausgang?
Komme ich da wieder raus?
Oder ist das das Ende meines Weges?
Bin ich auf dem Weg des Abschiedes?

Mein Blick ist verengt.
Ich schaue auf den Boden.
Die Schritte werden mir schwer.

Da höre ich, wie ein Holzstab auf einen Stein stösst.
Ich blicke auf und sehe, dass ich ja gar nicht alleine bin.
Im Leben nicht und auch nicht im Tod.
Der gute Hirte begleitet mich.
In hellen Stunden und in dunkeln.
Trost fliesst in mein Herz und vertreibt die Angst.
Im Sterben und im Leben, du bist mein einziger Trost.  

Dezember: Sie folgten dem Stern

Auf das Wort des Herodes hin machten sich
die Sterndeuter auf den Weg nach Bethlehem.
Und siehe da: Der Stern, den sie hatten aufgehen sehen,
zog vor ihnen her, bis er über dem Ort stehen blieb, wo das Kind war.
Als sie den Stern sahen, überkam sie grosse Freude.
(Matthäus 2, 9 und 10)


Ein neuer Stern geht auf am Himmel.
Was hat das zu bedeuten?
Heil oder Unheil?
Oder hat das gar keine Bedeutung?
Schweigt der Himmel?

Sterndeuter machen sich auf den Weg.
Für sie spricht der Himmel.
Sie wollen den neuen König sehen.

Verstehe ich die Sprache des Himmels?
Lasse ich mich ein auf einen unbekannten Weg?
Ohne letzte Sicherheiten, dass ich ankomme.
Ohne zu wissen, ob es ein heilsamer Weg ist.
Oder ob ich in einer Sackgasse lande.

Allein aus Neugier, was Gott wohl im Schild führt.
Allein aus Vertrauen, dass Gott mich führt und leitet.
Dass er mir Zeichen setzt am Wegrand. Oder am Himmelszelt.

Lasse ich mich ein auf einen unbekannten Weg?
Bin ich offen für das unerwartete Wunder seiner Gegenwart?
Für das undenkbare Ereignis, dass Gott Mensch wird – als kleines Kind?
Für die Freude, die da aufbricht?