Station 4 - Paritätische Kirche Uesslingen

Tauwetter - Uesslingen zwischen den Fronten


Historische Hintergrundinformationen zu Uesslingen

Im Jahre 1519 wird Ulrich Zwingli als Leutpriester ans Grossmünster in Zürich berufen. Er ist für Predigt und die Seelsorge zuständig. Das bleibt im Thurgau nicht ohne Folgen. Zahlreiche Priester predigen von ihren Kanzeln Zwinglis Reformationsgedanken. Auch in Uesslingen. Pfarrer Leonhard Hoffmann aus Lommis schliesst sich bald nach seinem Amtsantritt dem neuen Glauben an.

Doch die Situation in der Gemeinde ist alles andere als beständig. Je nachdem, wie der politische Wind weht oder welcher Geistliche der Gemeinde vorsteht, wechseln die Leute die Konfession. Einmal entscheidet sich praktisch das ganze Dorf für den neuen Weg. Dann wechseln wieder viele Familien die Konfession. Ereignisse wie Tagsatzungsbeschlüsse oder der Ausgang von Schlachten beeinflussen die Verhältnisse ebenfalls.

Auch das nahe Kloster Ittingen nimmt Einfluss: Seit die Kartäuser das Kloster übernommen haben, sind sie für die Gottesdienste in Uesslingen zuständig. Prior Leonhard vom Kloster Ittingen wünscht sich, dass auch die Evangelischen aus Uesslingen zu ihm in die Predigt kommen. Auf Geheiss des Landvogtes muss dann das Kloster den Hüttwiler Prädikanten - so nannte man die reformierten bzw. evangelischen Prediger - für die vierzehntägliche Predigt in der Kirche Uesslingen bezahlen. Später predigt dieser Prädikant nur noch an Festtagen, so dass die Uesslinger in den Nachbargemeinden zur Kirche gehen. Das stösst vielen Uesslinger Familien sauer auf.

In dieser hitzigen Zeit sieht der Prior seinen Einfluss grösser werden und beabsichtigt, die Altäre neu zu weihen. Doch in Uesslingen scheitert dieses Vorgehen. Der Prior entschliesst sich, die wütigen Uesslinger nicht noch mehr zu reizen und lässt sie in Ruhe.

Am 20. November 1531 kommt in Deinikon bei Baar der 2. Kappeler Landfriede zustande. Von nun an kann jede Ortschaft die Konfession seiner Einwohnerinnen und Einwohner festlegen. Der Thurgau als Gemeine Herrschaft bleibt konfessionell gemischt. Die Katholiken sind aber im Vorteil. Einzelne oder Gruppen von Katholiken können die Wiederherstellung des katholischen Gottesdienstes verlangen. In katholischen Orten haben Leute, die reformiert werden wollen, dieses Recht auf einen reformierten Gottesdienst nicht. Die Kirchengüter werden anteilsmässig nach der Anzahl Leute, die jeder Konfession angehören, aufgeteilt. Die Kirchgemeinden der beiden Konfessionen im Thurgau teilen sich vielerorts eine Kirche. Dabei geht es jedoch alles andere als friedlich zu und her.

Entspannung in die konfessionelle Rivalität bringt der 4. Landfriede vom 11. August 1712 in Baden. Die rechtliche Gleichstellung der beiden Konfessionen, die sogenannte Parität, wird festgelegt. Dieser Beschluss gilt im Thurgau bis heute. Die bisherigen gottesdienstlichen Ordnungen bleiben bestehen. Jede Konfession kann nun auf eigene Kosten Kirchen bauen. Heute gibt es noch zehn paritätische Kirchen: in Basadingen, Ermatingen, Frauenfeld-Oberkirch, Güttingen, Leutmerken, Oberhofen, Pfyn, Romanshorn („Alte Kirche“), Sommeri und Uesslingen.

2022 feiern die beiden Konfession 150 Jahre paritätische Kirche St. Peter und Paul. Den gemeinsamen Kirchenbau aus dem Jahre 1872 sehen sie als Zeichen eines guten Miteinanders.

 


Übersichtskarte


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