Station 2 - Reformierte Kirche Unterstammheim

Frischer Wind und dunkle Wolken – Priesterstreit und Bildersturm in Stammheim


Historische Hintergrundinformationen zu Unterstammheim

So kann es nicht weitergehen! Da ist sich die Mehrheit der Stammer einig. Schon seit einiger Zeit sind sie unzufrieden. Mit ihrem Pfarrer. Mit seiner Predigt. Mit der Kirche. Adam Moser heisst der Amtsinhaber. Der Abt des Klosters St. Gallen hat ihn eingesetzt. So ist es seit langem Brauch. Seit Jahrhunderten ist das Kloster nämlich nicht nur wichtigster Grundherr im Stammertal und seiner Umgebung. Auf seine Initiative hin wurde hier einst auch die Galluskapelle als erste Pfarrkirche erbaut.

Seither hat sich Vieles verändert. Stammheim ist seit kurzem sogar eine Obervogtei der Stadt Zürich. Bei ihr liegt die niedere Gerichtsbarkeit, die sich mit geringen Delikten beschäftigt. Die höchste richterliche Gewalt übt allerdings der eidgenössische Landvogt in Frauenfeld aus. Geblieben ist bei allem Wandel das Vorrecht des Abtes in St. Gallen, den örtlichen Pfarrer einzusetzen. Er bezahlt ihm den Lohn und kann ihn im Zweifelsfall auch absetzen.

Der Stein des Anstosses sind jedoch nicht diese komplizierten Machtverhältnisse. Vielmehr stören sich die Stammer an den kirchlichen Missständen. Ihre Kritik gilt insbesondere der überbordenden Heiligenverehrung. Im St. Anna-Kult in Stammheim ist sie besonders anschaulich. Regelmässig kommen Pilger von nah und fern zur Wallfahrtskapelle St. Anna, um die Mutter Marias und Grossmutter Jesu zu verehren.

Auch die Lebensweise von Pfarrer Moser gibt zu reden. Er predige Wasser und trinke Wein, wird ihm vorgeworfen. Einerseits hat er – ohne verheiratet zu sein – eine Frau und zwei Kinder zu versorgen. Etwas, das sich viele Priester in dieser Zeit, oft nicht mal sonderlich versteckt, leisten. Andererseits besitzt Moser offenbar genügend Ackerland, Reben und Wald, um es sich gut gehen zu lassen. Vor allem aber ist Moser kein Anhänger der Reformation.

Die Stammer haben sich in Zürich bereits beschwert, allerdings ohne Erfolg. Deshalb schreiten sie zur Tat: Am Sonntag, dem 1. Mai 1524 setzen sie am Kirchweihfest Pfarrer Adam Moser ab. Unter Jubel bestimmen sie die beiden Brüder Johannes und Adrian Wirth, Söhne des Untervogts Hans Wirth, als erste reformierte Pfarrer. Die Kirchgemeinde Stammheim begibt sich damit auf den Weg der Reformation.

Rund acht Wochen später ziehen die Stammer auch im Blick auf die Bilder, Kruzifixe und Altäre Konsequenzen. In einem sogenannten Bildersturm «entrümpeln» sie die Kirchen und verbrennen die Gegenstände. Sehr zum Missfallen des Thurgauer Landvogts. Die Lage für die Stammer wird bedrohlich. Sie schliessen mit den umliegenden Gemeinden ein Schutzbündnis. Auch der Prior der nahe gelegenen Kartause Ittingen droht den Stammern, dass ihr Dorf bald in Flammen aufgehen werde. Doch dazu kommt es nicht. Einen Monat später brennt stattdessen die Kartause.

Der Landvogt greift aber nicht in Stammheim ein, sondern in Stein am Rhein. Dort lässt er Hans Öchsli gefangen nehmen, den Pfarrer, der die Reformation befürwortet. Die erzürnten Steiner jagen den Knechten des Landvogts nach und wollen ihren Pfarrer befreien. Auf dem Weg nach Frauenfeld schliessen sich die mit ihnen verbündeten Stammer an.


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